Dancer with cancer

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Ja, ich weiß. Der Titel klingt erstmal ziemlich plakativ und theatralisch, aber mir ist nichts Passenderes eingefallen.

Heute würde ich gerne endlich etwas loswerden, was mir schon seit dem Anfang meiner Erkrankung auf dem Herzen liegt. Ich denke, da viele von Euch Tänzer sind, könnte Euch das vielleicht interessieren. Mir ist es wichtig, die ganze Story auch einmal aus der Sicht der Tänzerin in mir zu erzählen. Was mir geholfen hat. Was mich eingeschränkt hat. Wie das Tanzen mich aufgefangen hat.

Ich tanze und unterrichte selber schon seit einigen Jahren. Auch wenn das Tanzen erstmal „nur“ ein Hobby war und jetzt mein Nebenjob, ist es ein wichtiger Teil von mir. Und wer mich schon mal morgens beim Zähneputzen oder beim Kochen erlebt hat weiß, ich kann manchmal einfach nicht still halten. Die meisten meiner Freunde sind Tänzer, meine Eltern tanzen leidenschaftlich gerne, bei mir läuft immer Musik und vor meine Kamera lasse ich bekanntlich auch schon mal den ein oder anderen Tänzer. 😉 Das Tanzen ist aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken, umso tiefer bin ich gefallen, als ich meine Diagnose bekam.

Ich habe gemerkt, dass etwas nicht stimmt, als ich plötzlich keine Luft mehr bekam und ich nicht mehr schlucken konnte. Ich hatte schon seit Tagen einen ziemlich zugeschnürten, verkrampften Hals und hab es die ganze Zeit auf das Training geschoben. Ich dachte, ich hätte mir beim Tanzen etwas gezerrt und das ginge bald wieder weg. Ich denke jeder von uns hatte schon mal solch einen Gedanken. Als ich dann aber mittwochs abends, nachdem ich zwei Kurse unterrichtet hatte, fast erstickt bin, wusste ich, dass etwas absolut nicht in Ordnung war. Ich war immer fit gewesen. Plötzlich bekam ich keine Luft mehr, obwohl die Kurse nicht mal super anstrengend waren. Was danach geschah könnt Ihr HIER nachlesen.

Als ich ins Krankenhaus kam, steckte ich grade mitten in der Meisterschaftssaison mit meiner Formationsgruppe Team Legit. Ich hatte die Mädels monatelang auf die Wettbewerbe vorbereitet und sie hatten sich zwei Wochen zuvor für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. Ich wollte die nächsten zwei Wochen umso härter mit ihnen trainieren, um eine gute Platzierung zu erzielen. Die Realität war ernüchternd. Zwei Wochen Krankenhaus, Chemotherapie, etliche OPs. Mir war überhaupt nicht nach Tanzen. Hatte mich das Tanzen sonst eigentlich immer von all meinen Problemen abgelenkt, war ich jetzt einfach nur in Schockstarre. Die ersten beiden Wochen konnte ich nicht einmal Musik hören, ohne mich unwohl zu fühlen. Es gab einfach keinen Song, der meine Gefühle in dieser Situation hätte beschreiben können. Nichts was mich hätte ablenken können.

Noch im Krankenhaus wusste ich, dass ich ein paar Leuten Bescheid geben musste. Ich hatte ein paar Tanzevents im Kalender stehen auf denen ich Fotos machen sollte. Allen voran stand eines meiner absoluten Lieblingsevents, Funkin Stylez. Es war zwar noch einen Monat hin, aber ich versuchte realistisch zu denken und fragte mich, ob ich es körperlich schaffen würde, ein dreitägiges Event zu shooten. Doch der Gedanke daran, in ein paar Wochen wieder Funkin Stylez erleben zu dürfen und all diese kreativen Menschen zu treffen, brachte mir Kraft und Motivation schnell fit zu werden. Ich wusste, ich durfte es nicht verpassen. Ich brauchte Verstärkung!

Zum Glück stand ich schon seit einiger Zeit mit Timo (@t._dettmers) in Kontakt. Timo ist genau wie ich Tänzer und Fotograf und ich fand seine Bilder schon immer wundervoll. Ich wusste, wenn ich jemandem bei der Sache vertraue, dann ihm. Also kam er extra aus Oldenburg und wir fotografierten das Event gemeinsam.

Natürlich litt nicht nur das Training mit meiner Formationsgruppe unter meiner Erkrankung, sondern auch meine regulären Kurse. Ich versuchte immer wieder Unterricht zu geben, aber ich musste feststellen und mitansehen, wie meine Kraft immer weniger wurde und ich immer noch nicht wirklich gut Luft bekam. Häufig fiel ich aus und musste Vertretung schicken. Ich machte immer weniger Sport und wurde immer schwächer. Es war ein Teufelskreis.

Keine Ahnung wie ich den Sommer überstand. Zwanzig Hochzeiten fotografiert, einen Praktikanten gehabt, immer wieder mal unterrichtet, ständig das super heiße Wetter. Und das während meine Kraft immer weniger wurde. Es war wirklich schlimm, nicht tanzen zu können. Ich hörte kaum Musik, denn die erinnerte mich nur ans Tanzen und machte mich meistens traurig. Ich hörte auf zu Hause durch die Gegend zu tanzen. Ich schaute mir nicht mal mehr Videos an. Ich vermisste es mit meiner Crew Svibz zu tanzen. Meine Muskulatur baute immer mehr ab und ich war super wackelig auf den Beinen. Meine Ärzte sagten zwar, ich sollte Sport machen, wenn es mir gut ging. Meistens wurde mir beim Tanzen aber schwindelig oder ich fühlte mich einfach nur schwach. Ganz zu schweigen davon, dass ich immer noch nicht wirklich gut Luft bekam. Mehr als ein Spaziergang war also meistens nicht drin. So ging das den ganzen Sommer.

Tanzen war für mich irgendwann eine nervige Pflicht, wenn ich ehrlich bin. Die Tatsache, dass ich so viele Kurse hatte und mich ständig um Vertretung kümmern musste, hat mir extrem viel Druck bereitet. Ich wollte aber niemanden hängen lassen, also versuchte ich es durchzuziehen.

Seit drei Monaten habe ich jetzt keine Chemotherapie mehr. Die Kraft in meinen Beinen kommt langsam wieder und mir wird nicht mehr so schnell schwindelig. Ich unterrichte wieder regelmäßig, momentan sogar fast jeden Tag. Durch die Chemotherapie und die Bestrahlung leide ich an starker Müdigkeit, die sogenannte Fatigue. Diese kann man aber mit Sport und Bewegung bekämpfen. Also macht mich das Tanzen jetzt wach. Ich kriege zwar immer noch nicht so gut Luft und meine Ausdauer ist wie ausgelöscht, aber es fühlt sich so gut an wieder halbwegs Tanzen zu können. Und vor ein paar Wochen wieder mit meiner Crew auf der Bühne zu stehen, war ein richtiger Motivationskick. Tanzen macht wieder Spaß. Es läuft wieder Musik bei mir. Non stop. Und manchmal tanze ich auch wieder durchs Haus.

Obwohl ich die letzten Monate nicht in der Lage war wirklich anständig zu unterrichten und ein paar Events absagen musste, hat mir das Tanzen doch super viel Halt gegeben. Nicht unbedingt das Tanzen an sich, sondern die Menschen. So viele von Euch haben, vielleicht unbewusst, sehr viel für mich getan.

Als ich die Nachricht über meine Krankheit online gestellt habe, habe ich unvorstellbar viele unterstützende Nachrichten aus der Tanzszene bekommen. Nicht nur an den ersten Tagen, sondern bis jetzt melden sich so viele Leute fast täglich und fragen wie es mir geht. Manchmal habe ich die Szene als oberflächlich angesehen, aber dieses Jahr habe ich eine andere Seite von ihr kennengelernt. Ich bin so dankbar, dass ich die letzten Jahre bei so vielen Events als Fotografin dabei war und all diese Bekanntschaften machen durfte. So viele Menschen hinter sich stehen zu haben, gibt einem super viel Kraft, Energie und vorallem positive Gedanken.

20180602_210120Ein paar Tage nach meinem Post war Funkin Stylez und ich konnte den Leuten ansehen, wie überrascht, aber auch gleichzeitig glücklich sie waren mich zu sehen. Das ganze Wochenende in Bochum hat mir unbeschreiblich viel Kraft und Liebe gegeben. Ich bin Timo so dankbar, dafür, dass er mich unterstützt hat. Alleine hätte ich mich es nicht getraut. Und vorallem Takao, dass er mir sein blindes Vertrauen geschenkt hat, wenn ich sagte „ich schaffe das“. Respekt! Nicht nur bei diesem Event, sondern bei allen anderen durfte ich wie gewohnt dabei sein. Diese Normalität tat so gut.

Dieses Vertrauen ist etwas, das ich leider nicht überall bekommen habe. Wiedermal habe ich bemerkt, dass die Tanzszene viel toleranter ist als manch andere Menschen. Ich musste mir so viele dumme Dinge über Arbeiten mit Krebs anhören, dass es Tage dauern würde, wenn ich Euch alle Stories erzählen würde. Aber von Tänzern kamen fast ausschließlich positive Reaktionen, wenn sie mich mit der Kamera sahen.

Egal auf welches Event ich danach ging, ich ging immer mit einem glücklichen Herzen nach Hause. Ich bekam so viel Support und Kraft, dass ich mich hellwach und super fit fühlte. Unfassbar, wie viele Leute an mich dachten. Und diese ganzen talentierten Tänzer zu sehen, hat mich motiviert so schnell wie möglich wieder fit zu werden.

Meine Schüler und das ganze Team von Tanzschule Happy Dance haben mir so viel Vertrauen und Verständnis gezeigt. Niemand aus meinen Kursen hat sich ein einziges Mal beschwert, dass so oft vertreten wurde. Alle haben sich gefreut, wenn ich mal da war und mir viel Kraft gewünscht, wenn ich mal absagen musste. Zudem konnte ich immer mit Glatze tanzen, ohne je einen blöden Blick zu bekommen. Und das ist tatsächlich sehr viel wert hahaha. Für meine Freunde die ständig meine Kurse vertreten haben bin ich sowieso unfassbar dankbar. Sie haben den Laden am Laufen gehalten.

Dieses Jahr habe ich gemerkt, wie wichtig mir die Tanzszene und die Menschen die mir dort begegnen eigentlich sind. Durch die ganze Situation habe ich viele neue Freundschaften geschlossen und einige Leute viel besser kennenlernen dürfen. Ich bin ganz ehrlich, ich hätte nie erwartet so ein durchweg positives Feedback aus der Szene zu kriegen. Das war das erste Mal, dass ich sowas wie eine Community gesehen habe. Leute, die sich umeinander sorgen und aneinander denken, wenn es dem anderen Mal nicht gut geht. Sich aber trotz allen Umständen supporten. Ich bin so dankbar für alle, die mir ihre Zeit geschenkt haben, weiterhin mit mir zusammen gearbeitet und geshootet haben. Kreativ geworden sind und sich ausgetauscht haben.

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Foto: Mona Buschhaus

Wenn ich auf meine Festplatte schaue, sieht dieses Jahr aus wie ein ganz normales, gesundes Jahr. Viele tolle Shootings und schöne Erinnerungen. Leider fehlen ein paar Jobs, die ich nicht wahrnehmen konnte, weil ich z.B. nicht verreisen durfte. Aber ich bin stolz, all diese anderen Bilder kreiert zu haben, trotz der riesengroßen Steine die das Leben mir in den Weg gelegt hat.

Heute morgen hatte ich mein PET CT. In den nächsten Tagen weiß ich dann, ob ich dem scheiß Krebs genug Ohrfeigen verpasst habe oder ob ich weiter kämpfen muss. Drückt mir alle die Daumen und schickt Eure positive Energie raus ins Universum.

Bis dahin, tanzt und genießt das Leben.

Peace & #fuckcancer,

Eva

 

 

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Andrea Schmitz-Neher sagt:

    Liebe Eva!
    Das ist so schön,dass es dir wieder besser geht und du wirkliche Freunde hast.Ich wünsche dir viel weiterhin Spass beim Tanzen,deiner Arbeit und mit deinen Freunden.Das ist die beste Medizin.
    Alles Liebe
    Andrea

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