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Ich weiß, dieser Eintrag sollte schon viel früher online gehen, aber die letzten Wochen waren für mich die wahrscheinlich nervenaufreibendste Zeit in meinem Leben. Zwischen all dem emotionalen Stress, meiner Arbeit, Arztbesuchen und Vorbereitungen, habe ich einfach keine Zeit gefunden zu Schreiben. Teilweise wollte ich auch einfach nicht. Es war auch mal ganz schön, nicht über all das nachzudenken.
Da aber so viele von Euch fragen, wie es bei mir ausschaut und ich nicht allen immer nur so knapp antworten möchte, gibt es heute mal ein kleines Life Update meinerseits.
Die Chemo ist überstanden. Meine letzte Chemo habe ich am 09. August erhalten. Danach gab es noch 2x Antikörper. Seitdem warte ich. Und Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was das mit einem anrichtet. Warum und worauf ich warte? Das ist kompliziert.
Mein Tumor ist noch in etwa so groß wie mein Herz, wovon der größte Teil allerdings abgestorben und nicht mehr aktiv ist. Ein paar Wochen nach der Chemo sollte die Bestrahlung losgehen. Normalerweise werden dafür ultrahoch beschleunigte Röntgenstrahlen benutzt. Die Strahlen sollen das Erbgut der Krebszellen so stark zerstören, dass es sich nicht mehr regenerieren kann. Dabei wird leider auch viel gesundes Gewebe zerstört. In meinem Fall liegen das Herz, die Lungen, die Speiseröhre, sowie die Brustdrüsen im direkten Bestrahlungsfeld. Je mehr gesundes Gewebe bestrahlt wird, desto höher die Chance, dass sich dort in ein paar Jahren neue Tumore bilden. Damit ich ein geringeres Risiko habe, an Brustkrebs, Lungenkrebs oder Herzfehlern zu erkranken, hat mein Arzt mich im Uniklinikum Heidelberg als Patientin vorgeschlagen. Dort gibt es ein verbessertes Verfahren zur Bestrahlung, wenn ein Tumor lokalisiert ist wie in meinem Fall.
In Heidelberg wird nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit Protonen bestrahlt. Ich bin weiß Gott kein Physik Genie, aber was ich verstanden habe ist, dass die Bestrahlung dort viel präziser ist. Um den Tumor herum wird nur 1mm gesundes Gewebe bestrahlt. Hauptsächlich werden dort Kinder und Jugendliche auf diese Art behandelt, da diese eine höhere Lebenserwartung haben. Und natürlich will man, falls möglich, eine weitere Erkrankung vermeiden. Diese Art von Bestrahlung wird nur an sehr, sehr wenigen Orten weltweit angeboten. Kein Wunder, denn das Gerät hat mal eben 120 Millionen Euro gekostet, verbraucht so viel Energie wie eine Kleinstadt, um die Teilchen beinahe auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen und brauchte ein eigenes Gebäude.

In Heidelberg werden jedes Jahr nur 700 Patienten behandelt. Deshalb könnt Ihr Euch sicherlich vorstellen, dass viele Leute anfragen und abgelehnt werden. Von der Bestrahlung an sich merkt man übrigens nichts. Je nachdem, welche Körperregion bestrahlt wird, gibt es verschiedene Nebenwirkungen. In meinem Fall aber höchstwahrscheinlich nur Müdigkeit und ein kleiner „Sonnenbrand“.
Die herkömmliche Behandlung sollte eigentlich schon Anfang des Monats in Krefeld beginnen. Mein Arzt wollte mich aber lieber nach Heidelberg schicken. Blöderweise musste ich fast zwei Wochen warten, bis ich endlich die Einladung bekam. Letzte Woche durfte ich dann zu einem Gespräch in die Klinik und meine Behandlung (insgesamt 15 Bestrahlungen), sollte am 25. September beginnen. Viel später, als es sonst normal ist, aber die Ärzte sind sich sicher, dass diese Art der Behandlung besser für mich ist. Trotz des Risikos, dass mein extrem schnellwachsender Tumor bis dahin wieder wächst.
Aber wie sollte es auch anders sein, musste ja wieder irgendwas schief gehen. Man hatte mir peinlicherweise, nicht die Unterlagen mitgegeben, die die Ärzte in Heidelberg zur Berechnung der Therapie gebraucht hätten, sondern die eines anderen Patienten! (Ich komm immer noch nicht drauf klar!) Da meine Infos jetzt per Post verschickt werden mussten, wurde der Start meiner Behandlung noch weiter nach hinten verschoben. Wenn es dann losgeht bin ich mehr als einen Monat später dran, als gewöhnlich. Und das macht mir eine scheiß Angst.
Okay, jetzt mal real talk. Ich habe Euch hier immer von der positiven Seite berichtet, was auch gut so ist. Aber ich möchte Euch erzählen, dass es natürlich auch nicht so positive Tage gibt. Ich bin ganz ehrlich, zu 90% der Zeit bin ich guter Dinge und gut gelaunt. Das bisschen Einfluss, das ich auf mein Leben habe, ist meine Laune. Und falls meine Laune sogar auch noch hilft, mich fit zu halten bzw. den ganzen Heilungsprozess vorantreibt, umso besser. Ganz nach dem Motto: Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade draus. Leider ist die aber manchmal ziemlich sauer.
Die ständige Angst zu sterben, ist der krasseste Stress, dem ich jemals ausgesetzt war. Das ganze Warten, bis die Behandlung weitergeht, die Medikamente die einen super schlapp und fertig machen, die Einschränkungen im Alltag, dass man einfach nichts planen kann, weil man nie weiß, ob man an dem Tag vielleicht doch Nebenwirkungen bekommt. Die ständige Tortur ins Krankenhaus zu fahren, Blutabnahmen, Schmerzmittel, CT, MRT, und und und. Dazu das Ganze auch noch verbinden mit Alltag. Job, Tanzschule, Freunde und Familie. Selbst die Gedanken an eine „gesunde“ Zukunft machen einen verrückt. Wird der Tumor wieder kommen? Wird er überhaupt weggehen? Werden langfristige Nebenwirkungen auftreten? Das ständige Grübeln, das einem den Schlaf raubt. Und dann sieht man nicht einmal mehr normal aus. Irgendwann ist die Kraft weg.
Ich versuche mich abzulenken, aber mein Unterbewusstsein macht mir meistens einen Strich durch die Rechnung. Ich bin normalerweise überhaupt kein Mensch der psychisch labil ist, aber die Tatsache, dass seit mehreren Wochen schon nichts mehr gegen den Krebs getan wird, ist furchteinflößend. Man ist ständig unterschwellig nervös. Dazu das Wissen, dass man selber überhaupt nichts anrichten kann, außer irgendwie positiv zu bleiben. Selbst in Momenten, in denen ich eigentlich nicht drüber nachdenke, schnürt sich mir plötzlich die Kehle zu oder mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Fast, als würde mein Körper sich gegen das alles wehren. Sowas kenne ich sonst gar nicht von mir, aber extreme Situationen, rufen extreme Reaktionen hervor. Ich kann mich auf fast gar nichts konzentrieren, wenn ich keine Beruhigungsmittel nehme. Und sowas habe ich noch nie in meinem Leben gebraucht.
Ich musste lernen, dass es auf Dauer nichts bringt, immer nur positiv zu bleiben. Das ständige Davonlaufen, in sich Hineinfressen, Gedanken Wegschieben und Ablenken, lässt den Druck nur noch mehr ansteigen. Und irgendwann bricht alles zusammen. Ein Freund von mir hat mir letztens etwas sehr Wichtiges mit auf den Weg gegeben. Etwas, das ich über die letzten Monate leider aus den Augen verloren habe:
Wer stark sein will, muss auch manchmal schwach sein.
Irgendwie hat mich das erinnert an das Motto: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Gute Zeiten werden immer auf schlechte Zeiten treffen. Wie man damit umgeht, das sollte jedem selber überlassen sein. Fakt ist aber, dass es niemandem gut tut, die negativen Sachen in sich hinein zu fressen. Manchmal muss man auch einen Weg finden, den Druck abzubauen. Selbst, wenn das heißt einfach mal einen „schwachen“ Moment zu haben und zu heulen.
Jetzt gerade fiebere ich einfach nur dem kommenden Freitag entgegen. Sobald ich weiß, dass etwas getan wird, wird es mir auch wieder besser gehen. Ich bin unfassbar glücklich, dass ich in Heidelberg angenommen wurde. Der Chefarzt dort, sowie die gesamte Strahlenklinik, gelten als eine der besten in ganz Europa. Es ist wirklich ein Privileg dort behandelt zu werden und ich hatte Glück im Unglück. Auch, wenn ich drei Wochen lang nur sonntags zu Hause sein werde, kann ich es kaum erwarten.
Ich bin immer noch bereit diesem scheiß Teil ordentlich in den Arsch zu treten. Komme was wolle.
Peace und #fuckcancer,
Eva